Pflanzenschädling programmiert Wurzeln um
Forscher der Uni Bonn: Winzige Würmer stellen ein Pflanzenhormon her, um sich von ihrem Wirt zu ernähren
Mikroskopisch kleine Fadenwürmer (Nematoden) leben wie die Maden im Speck: Sie dringen in Wurzeln von Rüben, Kartoffeln oder Sojabohnen ein und saugen dort an energiereichen Pflanzenzellen. Wie sie das genau machen, war bislang unbekannt. Wissenschaftler der Universität Bonn haben nun mit einem internationalen Team herausgefunden, dass die Nematoden selbst ein Pflanzenhormon herstellen, um das Wachstum spezieller Nährzellen in den Wurzeln zu stimulieren. Diese Zellen versorgen die Parasiten mit allem, was nötig ist. Die Ergebnisse sind nun im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht.
Der Rübenzystennematode (Heterodera schachtii) ist mit weniger als einem Millimeter Länge ein Winzling, führt aber im Zuckerrübenanbau zu riesigen Ertragseinbußen. Befallene Rüben werden nicht so groß wie normal, sie bilden vermehrt Seitenwurzeln aus und der Zuckerertrag geht drastisch zurück. Gerade in traditionellen Anbaugebieten wie dem Bonner Raum macht der Schädling als Verursacher der gefürchteten „Rübenmüdigkeit“ von sich Reden. Bis heute war allerdings nicht klar, wie die Nematoden die Entwicklung eines Nährzellensystems im Inneren der Wurzel stimulieren, das sie als Nahrungsquelle unbedingt brauchen.
Es entsteht dadurch, dass sich Zellen vermehrt teilen, miteinander verschmelzen und schließlich anschwellen. „Schon lange stand die Hypothese im Raum, dass für die Bildung des Nährzellensystems Pflanzenhormone eine Rolle spielen“, sagt Prof. Dr. Florian Grundler von der Molekularen Phytomedizin der Universität Bonn. Da die Nematoden nach dem Eindringen in die Wurzel ihre Fähigkeit zur Fortbewegung verlieren, seien sie im besonderen Maße auf die Entwicklung des tumorartigen Nährzellengewebes angewiesen.
Schädling nutzt Abbauprodukte seines Stoffwechsels
Zusammen mit Wissenschaftlern aus Columbia (USA), Olomouc (Tschechien), Warschau (Polen), Osaka (Japan) und der Freien Universität Berlin haben die Forscher der Universität Bonn an der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) als Modellpflanze herausgefunden, dass Rübenzystennematoden das Pflanzenhormon Cytokinin selbst herstellen. „Den Nematoden ist es gelungen, ein Abbauprodukt des eigenen Stoffwechsels als Pflanzenhormon zur Steuerung der Entwicklung von Pflanzenzellen einzusetzen“, sagt Erstautor und Arbeitsgruppenleiter
Dr. Shahid Siddique. Der Schädling programmiert die Pflanzenwurzeln so um, dass die Rüben das spezielle Nährgewebe ausbilden, das der Fadenwurm für sein Wachstum braucht.
Das Forscherteam wusste zunächst nicht, ob der Rübenschädling das Pflanzenhormon der Pflanze geschickt für sich nutzt oder es selbst herstellt. Die Wissenschaftler blockierten deshalb die Cytokinin-Produktion in der Pflanze – der Nematode wuchs trotzdem weiter, weil er nicht darauf angewiesen war. Erst als die Agrarexperten einen speziellen Rezeptor außer Kraft setzten, an den das Hormon andockt und der für die Ausbildung des Nährgewebes wichtig ist, darbten die Rübenschädlinge. „In diesem Fall nutzte Heterodera schachtii seine Fähigkeit, Cytokinin herzustellen, nichts mehr, weil der für ihn lebenswichtige Signalweg in den Wurzelzellen unterbrochen war“, erläutert Dr. Siddique.
Neue Optionen für die Pflanzenzüchtung
Obwohl es sich um ein Ergebnis aus der Grundlagenforschung handelt, eröffnet es absehbar neue Wege für die Pflanzenzüchtung. „Zum einen ist das Resultat ein wichtiger Beitrag zum grundlegenden Verständnis des Parasitismus bei Pflanzen, zum anderen kann es dazu beitragen, das Problem der Zystennematoden in wichtigen landwirtschaftlichen Kulturen bald auch in der Praxis zu verringern“, sagt Prof. Grundler. Nun, da durch die Forschung ein wichtiger Mechanismus gefunden worden sei, lasse sich nach einer geeigneten Strategie suchen, diesen gezielt in der Resistenzzüchtung zu nutzen.
Publikation:
A parasitic nematode releases cytokinin that controls cell division and orchestrates feeding site formation in host plants, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), DOI: 10.1073/pnas.1503657112
Quelle: uni-bonn.de