Aconitin

Geschichtliches:

Die Geschichte der Entdeckung des Aconitins ist lang und voller Fehlschläge und es ist anzunehmen, dass selbst heute noch nicht alle Bestandteile des Eisenhuts aufgeschlüsselt worden sind.
Die ersten Extraktionen von 1833 lieferten ein Stoffgemisch, das aufgrund der Vielzahl der verschiedenen Alkaloide nicht einheitlich, sondern amorph vorlag. Die daraus kristallisierbare Base wurde von WHRITE und LUFF als Aconitin und der nichtkristallisierbare Rest als Pikroaconitin (später nannte man nur das noch das Benzylaconin so) bezeichnet.

Die Summenformel konnte auch noch nicht endgültig geklärt werden und wurde zeitgleich als C38H45NO12 und C34H47NO11 bestimmt, von denen sich letztere durch spätere Analysen bestätigt hat. Über den stufenweisen Abbau durch Kochen mit Wasser, Acetanhydrid, verdünnter Schwefelsäure und Basen konnte durch die Analyse der Spaltprodukte das Aconitin genauer analysiert werden. Das durch Dehydratisierung enstandene Produkt wurde Apoaconitin, das durch Abspaltung von Essigsäure entstandene Pikroaconitin und das durch Abspaltung eines Benzylrests enstehende Produkt Aconin genannt. Versuche das Aconin mit Acetylchlorid oder Benzoylchlorid gezielt zum Aconitin zu überführen schlugen aufgrund der vielen vorhandenen Hydroxygruppen fehl. Da zuvor schon bekannt war, dass das Aconitinmolekül vier Methoxy- und drei Hydroxy-Gruppen beeinhaltet, konnte folgende Formel entwickelt werden:

Definition:

Aconitin ist ein sehr giftiges Diterpenoid-Alkaloid, das in dem 50-150 cm hohem Blauen Eisenhut (Aconitum napellus) - der giftigsten Pflanze in unseren Breitengraden - sowie in anderen Aconitum-Arten vorkommt. Es stellt den Benzoat- und Acetat-Ester des Alkaloids Aconin dar. Aconin selbst weist nur etwa 1/500 der Toxizität des Aconitins auf. Aconitin bildet weiße (bei nicht hochreinem eher gelbliche), feine und geruchslose, hexagonale Prismen, die in Benzol und Chloroform gut, und Alkohol und Diethylether schwerer und in Wasser kaum löslich sind.

Es bildet allerdings nicht den einzigen Bestandteil der unter Naturschutz stehenden Aconitum-Gattung - deren Arten durchaus verschieden stark giftig sind - und kommt im Blauen Eisenhut zusammen mit folgenden weiteren Alkaloiden vor: Pikroaconitin (Benzylaconin), Mesaconitin (Acetylbenzoylmesaconin), Hypaconitin (Acetylbenzoylhypaconin) und den freien Alkaminen Aconin, Napellin, Meopellin, Japaconitin und Neolin, L-Ephedrin und Spartein. Die Anzahl der aconitinverwandten Alkaloide scheint schier unendlich – zumal auch die chiralen Zentren, neben den unterschiedlich hydroxylierten Grundstrukturen, eine weitere Vielzahl an Möglichkeiten erlauben. Die oben aufgezählten Stoffe bilden dabei nur einen Bruchteil der toxischen Inhaltsstoffe der Aconitum-Arten.

 

Gewinnung:

Zur Darstellung des Aconitins extrahiert man die Knollen  mit angesäuertem Alkohol, filtriert, verdampft den Auszug, reinigt den Rückstand durch Schütteln mit Äther, löst ihn dann in Wasser und fällt aus der Lösung unreines Aconitin mit Ammoniak. Man löst dasselbe in Äther, verdampft das Filtrat, löst den Rückstand in Alkohol und fällt reines Aconitin mit Wasser.

Bis heute gibt es noch keine Publikationen zu einer Totalsynthese von Aconitin, wobei das Kohlenstoffgerüst wahrscheinlich das größte Problem darstellt. Die Regioselektivität der Acetylierung und die des Benzoylrestes ließen sich durch strategische Anwenden verschieden leicht abzutrennender Schutzgruppen zwar durchführen, doch ist noch keine Möglichkeit zum Aufbau des Grundgerüstes bekannt, was weitere Überlegungen auch zwecklos macht.

 

Chemie und Eigenschaften:

Summenformel: C34H47NO11

IUPAC-Name: 1-ethyldecahydro-6,10,13-trimethoxy-3-(methoxymethyl)-11a-acetate 8-benzoat-2H-12,3,6a-ethanylyliden-7,9-methanonaphth[2,3-b]azocin-4,8,9,11,11a(1H,7H)-pentol

CAS-Name: (1a,3a,6a,14a,15a,16b)-20-Ethyl-1,6,16-trimethoxy-4-(methoxymethyl)aconitane-3,8,13,14,15-pentol 8-acetate 14-benzoate

Andere Namen: Aconitane, Adynerin, Acetylbenzoylaconin

Dichte: 1.37±0.1 g/cm3

Molares Volumen: 468.2 ± 5.0 cm3/mol

Löslichkeit:

pH=1 1000 g/L

pH=2 839 g/L

pH=3 240 g/L

pH=4 30 g/L

pH=5 3,9 g/L

pH=6 1,2 g/L

pH=7 0,97 g/L

pH=8-10 0,90 g/L

pKa: 5,88

Molare Masse: 645,74 g/mol

Schmelzpunkt: 200 - 205 °C, exakter auch 204 °C, früher auf 197 - 198 °C bestimmt (Alkaloidgemische)

Siedepunkt: 717.2 ± 60.0 °C

Polarisation: +17,3 ° bis +19 ° (CHCl3, 20 °C, 589,3 nm), die Salze sind linksdrehend (Hydrobromid hemipentahydrat: -30,8 °, Hydrochlorid hemipentahydrat: -30,9 °, Nitrat: -35 °)

Aconitin ist optisch aktiv, die spezifische Drehung beträgt bei Lösung in Chloroform [α]D (20°C) +14 bis +17°.

In seiner Struktur ähnelt das Aconitin dem Delphinin (2 HO-Gruppen weniger, in 4-Stellung nur eine Methoxy- statt einer Methoxymethyl-Gruppe und nicht N-ethyliert sondern N-methyliert) aus dem Stephanskraut (Delphinium staphisagria) und dem Tulpin aus der Garten-Tulpe

(Tulipa gesneriana) welche ebenfalls toxisch sind (die Toxizität des Tulpins ist weitaus geringer als die der anderen beiden Alkaloide). Unter den in den Pflanzen vokommenden Diterpen (C20)- und Norditerpen (C19)-Alkaloiden, sind die mehrfach veresterten Substanzen besonders giftig.

Das Aconitin ist meist amorph, farb- und geruchlos, schmeckt stark bitter und brennend scharf, reagiert alkalisch und bildet mit Säuren kristallisierbare Salze. Auch unter dem Mikroskope zeigt es keine Kristallisation. Die verschiedenen Aconitum-Arten enthalten nicht alle dasselbe Alkaloid, auch werden bei der Abscheidung des letztern in ungleichem Grad Zersetzungsprodukte gebildet und so weichen die Handelssorten des Alkaloids sehr wesentlich voneinander ab.

Als englisches Aconitin (Napellin, Nepalin, Acraconitin, Pseudoaconitin) kommt ein viel heftiger wirkender, brennend scharf, nicht bitter schmeckender, in Chloroform und Äther schwer löslicher Stoff im Handel vor, welcher in England als äußerliches Arzneimittel benutzt wurde. Dies ist vielleicht das heftigste aller Gifte. Dieser wird aus Aconitum ferox (Himalaya-Eisenhut, Nepal-Eisenhut) gewonnen.

Das Pseudaconitin, auch englisches Aconitin genannt, kann kristallinisch erhalten werden, wird aber in heißem Wasser nicht weich und knetbar, wie das gewöhnliche Aconitin.

Der Schmelzbereich liegt bei 192 bis 196 °C. Bei diesen Temperaturen setzt die Zersetzung des Moleküls ein. Aconitin bildet weiße (bei nicht hochreinem eher gelbliche), feine und geruchslose, hexagonale Prismen, die in Benzol und Chloroform gut, und Alkohol und Diethylether schwerer und in Wasser kaum löslich sind. Ein Gramm Aconitin löst sich in 2 ml Chloroform, 7 ml Benzol, 28 ml abs. Ethanol, 50 ml Diethylether und 3300 ml Wasser. Durch Hydrolyse (Verseifung) wird die Verbindung in Bezoylaconin und Aconin gespalten. Dieser Vorgang führt bei Lagerung von getrocknetem Pflanzenmaterial zu einer Abnahme der Toxizität. Der Identitätsnachweis kann durch Farbreaktion mit Dragendorff's Reagenz nach Munier (orange) sowie mittels Dünnschichtchromatographie erfolgen, letztere Methode eignet sich bedingt auch für einen Giftstoffnachweis in Erbrochenem.

 

Pharmakokinetik:

Aconitin wird rasch resorbiert, besonders nach peroraler, aber auch nach kutaner Applikation. Die Distribution erfolgt im gesamten Körper, Aconitin ist plazentagängig und überwindet die Blut-Hirn-Schranke. Die oben erwähnte hydrolytische Spaltung des Aconitins findet auch im Zuge des Metabolismus statt. Die Exkretion erfolgt biliär über den Faeces und renal über den Urin, circa 2 % der aufgenommenen Aconitinmenge werden unverändert über den Urin ausgeschieden. Eine Kumulation findet nicht statt.

 

Wirkmechanismus:

Aconitin wirkt in erster Linie als Neurotoxin, sowohl im peripheren (PNS) als auch zentralen Nervensystems (ZNS). Die massive Neurotoxizität wird durch einen Agonismus an spannungsaktivierten Natriumkanälen vermittelt. Nach der Bindung an einen Rezeptor des Natriumkanals öffnet sich der Kanal und die Permeabilität für Natriumionen steigt. In der Folge wird der Natriumeinstrom während der Depolarisation verlängert und die Repolarisation verlangsamt, wodurch es zu verlängerten Aktionspotentialen kommt. Motorische und sensible Nervenendigungen und -zentren des PNS und ZNS sowie reizbare Membranen werden initial erregt, schließlich gelähmt. An der motorischen Endplatte kommt es ebenso zu einer Blockade der Reizweiterleitung. Sensible Nervenfasern werden schneller als die motorischen Nervenfasern gelähmt. Somit setzt unter Umständen eine Areflexie bei noch erhaltenen willkürlich-motorischen Fähigkeiten ein.

Neben neuronalen Rezeptorstellen existieren auch an Herzzellen entsprechende Rezeptorstellen an Natriumkanälen, die Aconitin binden. Zentralnervöse Mechanismen führen zu Bradykardie mit Hypotonie. Zudem treten anticholinerge Effekte auf. Am Herzen führt Aconitin durch eine Kombination verschiedener Mechanismen gegebenenfalls zu Herzrhythmusstörungen bis hin zur Asystolie.

Lokal kommt es zu einer Reizwirkung, was sich nach peroraler Aufnahme insbesondere an den Schleimhäuten des Gastrointestinaltraktes äußert.

 

Toxizität:

 

LD (Maus): 0,166 mg/kg (intravenös); 0,328 mg/kg (intraperitoneal); 1 mg/kg (oral).

0,001 g tötet einen Sperling in wenigen Minuten.

Das Aconitin kommt in allen Pflanzenteilen des Eisenhutes, besonders der Wurzel und den Samen, vor. Versehentliche Intoxikationen sind

z.B. auf eine Verwechslung der Wurzel mit Meerrettich oder auch auf übermäßige Anwendung therapeutischer Zubereitungen, zum Beispiel während einer Behandlung mit aconitinhaltigen Salben, zurückzuführen. Der Alkaloidgehalt bewegt sich zwischen 0,5 und 1,5 % und ist in der Knolle nach LIEBENOW während der Blütezeit am geringsten und im Winter am höchsten. Die Wurzelknolle (auch als Sturmhutknolle bezeichnet) ist dunkelgraubraun, meist prall und 4-8 cm lang und bis über 2 cm breit oder gestreckt rübenförmig. Die frische Wurzel schmeckt süßlich, dann kratzend und später scharf.

Für einen Erwachsenen wirken 2-15 g (häufig schon 2-4 g) derselben tödlich, was etwa 3-6 mg des reinen Aconitins entspricht. Bei Kindern liegt die letale Dosis weitaus niedriger.

Die Hydrolyseprodukte des Aconitins sind weitaus weniger toxisch als Aconitin selbst. Aconin wirkt den kardiotoxischen Effekten des Aconitins als Antagonist entgegen und Benzoylaconin besitzt eine narkotische Wirkung.

Bei Lagerung der getrockneten Pflanzenteile tritt bei Licht- und Wärmeeinfluss eine teilweise Hydrolyse ein, welche die Wirkung abschwächt.

 

Symptome:

Die Pflanzen schmecken insgesamt scharf brennend, wobei schon 0,2 g der Pflanze als sehr toxisch zu betrachten sind. Vergiftungen zeigen keine Digitaliswirkung, da das Aconitin erst eine erregende, später aber eine lähmende Wirkung auf die motorischen Endplatten und die sensiblen Nervenendigungen ausübt. Das Aconitin wird über die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes, aber auch über die intakte Haut rasch resorbiert, weshalb auch schon beim Pflücken des Eisenhuts Hautentzündungen und sogar schwere Vergiftungen hervorgerufen werden können. Damit sind vor allem Kinder beim Spielen mit Pflanzenteilen gefährdet. Vergiftungen traten aber auch bei Gartenliebhabern auf, die durch ein reines Halten der Wurzelknolle in der Hand Vergiftungen erlitten.

Mengen von unter 1 mg über die Nasenschleimhaut aufgenommen rufen erst ein Kribbeln und anschließend einem "pelziges" Gefühl hervor, bevor die Nase komplett gefühllos wird. Diese Symptome klingen nach 1,5-2 Stunden wieder ab.

Nach peroraler Aufnahme von Aconitin-haltigem Pflanzenmaterial setzen die ersten Anzeichen einer Intoxikation nach wenigen Minuten ein. Zunächst kommt es zu Reizungen der Mund- und Rachenschleimhäute. Erkennbar ist eine Vergiftung durch Übelkeit, mehrfaches Erbrechen, kolikartigen Durchfälle, kaltem Schweiß, Schweißausbrüche, einer kalten, blassfahlen und marmorierten Haut und Frösteln. Der Patient zeigt Störungen im Empfindungsbereich, vor allem bei der Kälteempfindlichkeit. Der Betroffene gibt des öfteren an das Gefühl zu haben statt Blut Eiswasser in den Adern zu haben. Klinisch erkennt man erst eine zentrale Erregung des Patienten, die sich im späteren Verlauf als lähmend zeigt und vor allem eine lähmende Wirkung am Herzen, die durch Kalium verstärkt wird. Des weiteren ist eine Mundtrockenheit, ein Brennen und Kribbeln im Mund, den Fingern und den Zehen festzustellen. Zusätzlich treten Störungen des Gehörs mit Ohrensausen auf. Auch der optische Bereich ist durch ein Gelbgrünsehen beeinträchtigt. Der Vergiftete zeigt Krämpfe, Arrhythmien, wie polytope ventrikuläre Extrasystolen, Blutdruckabfall, Tachypnoe, eine erhöhte Harnproduktion, Hypothermie, Bewusstseinsstörungen und Lähmungen der Zungen-, Gesichts- Extremitäten- und Skelettmuskulatur. Es sind Parästhesien über den ganzen Körper zu erkennen, offenbar hat der Patient stärkste Schmerzen. Das Bewusstsein ist bis zum Ende vollkommen erhalten. Die Vergiftungserscheinungen treten bei Einnahme hoher Dosen bereits nach wenigen Minuten und der Tod nach etwa einer halben Stunde ein. Der Tod kann auch durch ein Kammerflimmern eintreten. Das Kammerflimmern ist durch sehr hohe Dosen von Aconitin sofort auslösbar.

 

Quellen:

  • Meyers Konversations-Lexikon, 1888
  • Medicinal Plants: Chemistry and Properties von M Daniel
  • Roth, Daunderer & Kormann: Giftpflanzen - Pflanzengifte, 5. Aufl., Nikol Verlag.
  • Mutschler et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen, 8. Aufl, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft.
  • Wolf (Hrsg.): Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis - Bd. 3, Gifte, 1992, Springer Verlag.
  • gifte.de
  • illumina-chemie.de

 

 

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